Mehr denn je stehen derzeit die Themen Rassismus, Rassendiskriminierung und Xenophobie im Fokus der Weltgemeinschaft. Die #BlackLivesMatter-Bewegung hat die Menschen in den vergangenen Wochen und Monaten rund um den Globus aufgeweckt und angeregt, Massnahmen zu ergreifen, um gegen systemische Diskriminierungen vorzugehen. Wo steht die UNO als grösste internationale Organisation bei dieser Thematik?

Bereits ein Jahr nach der Gründung der Vereinten Nationen, 1946, wurde im Rahmen der Generalversammlung das Thema Rassendiskriminierung auf die Agenda gebracht. Grund dafür war die prekäre Situation indischer Staatsbürger*innen in Südafrika. Zwar konnte damals keine Resolution verabschiedet werden, aber das Thema wurde im Verlauf der nächsten Jahre regelmässig debattiert. Am 20. November 1963 verabschiedete die Generalversammlung auf Druck verschiedener afrikanischer Länder, die von der Zentralafrikanischen Republik, Tschad, Benin, Guinea, Elfenbeinküste, Mali, Mauretanien und Burkina Faso angeführt wurden, schliesslich die Deklaration zur Eliminierung aller Formen von Rassendiskriminierung.

 

Unterzeichnung der Konvention zur Eliminierung aller Formen von Rassendiskriminierung durch Botschafter Michel Gallin-Douathe (Zentralafrikanische Republik) gemeinsam mit Generalsekretär U Thant. Photo: UN Photo/ARA)

Zwei Jahre später folgte die Internationale Konvention zur Eliminierung aller Formen von Rassendiskriminierung (eines der zentralen Menschenrechtsabkommen der UNO), welche mittlerweile von 182 Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Letztere müssen dem Vertragsüberwachungsorgan, dem Komitee zur Eliminierung von Rassendiskriminierung, alle zwei Jahre einen Bericht zur Umsetzung der Konvention auf nationaler Ebene vorlegen, der geprüft wird und auf dessen Basis das Komitee Vorschläge für eine bessere Verwirklichung der Ziele macht. Zusätzlich gibt es einen Frühwarnprozess, mithilfe dessen aufkommende Konflikte thematisiert und geeignete Lösungen gefunden werden sollen. Zudem können Einzelpersonen beim Komitee Beschwerde einreichen, wenn ein Staat die Konvention verletzt. Die Schweiz hat die Konvention 1994 ratifiziert. Der aktuelle Länderbericht zur Umsetzung der Konvention in der Schweiz wird dieses Jahr im Komitee besprochen.

Seit 1979 wird jedes Jahr ab dem 21. März, dem internationalen Tag zur Eliminierung von Rassendiskriminierung, weltweit eine Solidaritätswoche mit verschiedenen Aktivitäten organisiert. Damit wird der 69 Opfer gedenkt, welche am 21. März 1960 im Rahmen einer friedlichen Demonstration gegen das Apartheidsregime in Sharpeville, Südafrika durch Polizeigewalt getötet wurden.

 

Die dritte Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Xenophobie und damit zusammenhängende Intoleranz fand 2001 in Durban, Südafrika, statt. Foto: UN Photo/Ron da Silva.

An der dritten Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Xenophobie im Herbst 2001 stand die Thematik erneut im Hauptfokus der Vereinten Nationen. Die im Jahr darauf verabschiedete Erklärung und das Aktionsprogramm von Durban verpflichten die Staaten zur Bekämpfung von Rassismus und anerkennen, dass Sklaverei und Sklavenhandel ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Besonders zentral für das Programm von Durban sind Präventions-, Bildungs- und Schutzmassnahmen. Und seit 2015 befinden wir uns in der internationalen Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft, welche sich vor allem mit Anerkennung, Gerechtigkeit und Entwicklung beschäftigt.

Aktives Engagement im Kampf gegen Rassismus

Durch diese frühe und intensive Auseinandersetzung spielte die UNO in verschiedenen Kämpfen gegen Rassismus eine wichtige Rolle: Bei der Emanzipation früherer afrikanischer Kolonien, wie beispielsweise durch die Unterstützung Ägyptens gegen die Kolonialmächte Frankreich und Grossbritannien während der Suezkrise 1956, bezüglich der Apartheid in Südafrika durch verschiedene Aufrufe zu Sanktionen oder Boykotten des Regimes oder der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Mit dem Tod von George Floyd in den USA und dem Erstarken der #BlackLivesMatter-Bewegung im Frühjahr 2020 wurden die Auseinandersetzungen zu Rassismus und Rassendiskriminierung auch innerhalb der UNO wieder verstärkt in den Fokus gerückt. So folgte im Menschenrechtsrat eine Dringlichkeitsdebatte zum Thema, in der einstimmig eine Resolution verabschiedet wurde. Diese beauftragt die Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, dazu, die Bemühungen von Strafverfolgungsbehörden gegen systemischen Rassismus zu unterstützen.

Die Dringlichkeitsdebatte zu systematischem Rassismus und Polizeigewalt im Menschenrechtsrat. Das Schweizer Statement finden Sie um 2:36:00.

Verbesserungspotenzial auch innerhalb der UNO vorhanden

Das aktive Engagement der Vereinten Nationen lässt vermuten, dass auch innerhalb der Strukturen der Organisation vorbildlich mit dem Thema umgegangen wird. Dies bestätigt sich formal: So wird in der UNO-Charta festgehalten, dass eines der Hauptziele der Organisation, nämlich die Förderung der Menschenrechte, frei von jeglicher Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion zu verfolgen sei. oder die Gleichbehandlung von Frauen und Männern innerhalb der Organisation einzuhalten sei und dass weder die Ethnie, noch das Geschlecht oder die Religion bei der Anstellung von Personal ein Faktor sein darf. Ebenso werden im Regelwerk für das Personal der Vereinten Nationen jegliche Formen von Diskriminierung verboten: «Any form of discrimination or harassment, including sexual or gender harassment, as well as abuse in any form at the workplace or in connection with work, is prohibited.» Berichte, wie derjenige der Journalistin Rosebell Kagumire in «The Guardian», deuten allerdings daraufhin, dass die Realität innerhalb der Organisation auch anders aussehen kann und people of colour auch in den Vereinten Nationen Erfahrungen mit Rassismus machen.

Vorbildfunktion übernehmen

Seit ihrer Gründung kämpfen die Vereinten Nationen gegen jegliche Formen von Rassismus und Rassendiskriminierung und spielten in der Vergangenheit eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung rassistischer Systeme. Trotz des aktiven Engagements existieren aber auch innerhalb der Organisation Formen von Rassismus. Mit dem Erstarken von Bewegungen wie #BlackLivesMatter und der intensivierten Auseinandersetzung mit systemischer Rassendiskriminierung in den traditionellen und sozialen Medien ist der geeignete Rahmen entstanden, in dem sich auch die UNO der unangenehmen Auseinandersetzung stellen und konkrete Massnahmen ergreifen kann. In einem Tweet Anfang Juni ging Generalsekretär António Guterres mit gutem Beispiel voran und sprach sich gegen Rassismus und damit einhergehende Polizeigewalt aus. Auch andere Organe der Vereinten Nationen forderten konkrete Aktionen. So ruft UN Women derzeit die Marketing- und Werbebranche dazu auf, in der Werbung eine inklusivere Welt zu zeigen.

 

Die #BlackLivesMatter-Bewegung in den USA. Foto: UN Photo/Evan Schneider

Mehrere hochrangige UN-Beamt*innen afrikanischer Herkunft oder Abstammung publizierten gemeinsam einen offenen Brief, in dem sie ihre Empörung über den allgegenwärtigen Rassismus zum Ausdruck brachten und der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die UNO im Kampf gegen Rassendiskriminierung eine Vorbildfunktion einnehmen kann: «Now is the time to move from words to deeds. If we are to lead, we must do so by example. To initiate and sustain real change, we also must have an honest assessment of how we uphold the UN Charter within our institution.»


Marina Stalder ist Assistentin der Geschäftsleitung der Gesellschaft Schweiz-UNO.


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